Aktuelle Ausstellung im Wissenschaftspark Gelsenkirchen

Neuaufnahmen 2019/2020

Klaus-Peter Busse

über eine sehenswerte Ausstellung

Seit einiger Zeit gibt es im TV-Kanal des Westdeutschen Rundfunks Filme, die die besonderen Highlights des Ruhrgebiets vorstellen, etwa den Rhein-Herne-Kanal, den Dortmunder Hafen oder kulinarische Reiseziele: Metzger, Bauernhöfe oder Kräutergärten. Diese Filme haben ihre Tradition in der „Tour de Ruhr“, die Elke Heidenreich vor vielen Jahren eingerichtet hat und die als Serie im Fernsehen lief. Heute werden sogar die alten Schimanski-Filme digital bearbeitet und neu gezeigt, die in 1980er-Jahren für viel Ärger sorgten, ähnlich den aktuellen Tatort-Filmen aus Dortmund, über die sich der Oberbürgermeister der Stadt beschwerte, weil sie (wie in den Schimanski-Krimis) an ungastlichen Orten gedreht wurden, mit denen man keine Werbung machen kann. Den Fotografien von idyllischen Grünzonen im Ruhrgebiet stehen im Bildgedächtnis jene Bilder von Alltagsszenen gegenüber, die eine unwirtliche Landschaft zeigen. Kommt alles weg, sagt der Oberbürgermeister von Herne. Man ist auf dem Weg, das Ruhrgebiet neu zu denken. Auf der anderen Seite hat diese Gegend eine eigene Geschichte und lebt bis heute von den manchmal höchst eigenwilligen Gestaltungen und Raumnutzungen ihrer Bürger*innen. Hier stehen die unterschiedlichsten Geschichten über Biografien, Räume und Utopien nebeneinander. Das Ruhrgebiet ist ein ausgesprochen lebendiger und heterogener Ort.

Wer sich darüber ein Bild machen will, fährt in das Wissenschaftszentrum in Gelsenkirchen, um dort die Ausstellung mit Fotografien des „Pixelprojekts Ruhrgebiet“ zu betrachten. Dieses sehr engagierte Vorhaben, das auf eine private Initiative zurückgeht, bietet eine vor allem digitale Plattform für Fotograf*innen, ihre Projekte auf der Homepage www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de zu veröffentlichen. Neben diesem Online-Angebot arrangiert das Projekt Ausstellungen, in denen sich die Fotografien im Original betrachten lassen. Ausstellungen verschwinden im kulturellen Gedächtnis einer Region, wenn sie nicht von Katalogen begleitet wurden. Eine Homepage hingegen löst das Problem dieses Vergessens, weil dort Bildprojekte für eine festgelegte Zeit sichtbar bleiben. Es ist die Absicht des ehrgeizigen Vorhabens, diese Projekte dauerhaft zu sichern und zur Verfügung zu stellen. Es ist gewissermaßen ein Museum auf Dauer. Das macht seinen Reiz aus, und es bleibt abzuwarten, bis auf der Homepage alle Projekte geordnet sind, so dass man einen Leitfaden zu einer Tour der Ruhr hat, die so vielfältige Ziele wie die Region selbst hat.

Zwar ist der Wissenschaftspark in Gelsenkirchen kein besonders attraktiver Ort für die Ausstellung der Fotografien über das Ruhrgebiet. Die Wände sind lang und unübersichtlich, und die zum Teil kleinen Bilder verlieren sich an den Wänden des Gebäudes. Die vielen Bilder haben einen besseren Ausstellungsort verdient. Dennoch ist diese Ausstellung überzeugend. Denn die Besucher*innen lernen viel über die Region, weil die Fotografien ihre eigenen Sprachen sprechen und deshalb tief in die fotografische Darstellbarkeit des Ruhrgebiets eingreifen. Man sollte sich am besten einfach auf den Weg nach Gelsenkirchen machen (also durch die Stadt und ihre Umgebung fahren), um an diesem beschaulichen Ort in Gelsenkirchen die Fotografien anzuschauen: als Start in eine Beschäftigung mit dem Bildgedächtnis über das Ruhrgebiet, das man online rekonstruieren kann: Bilder über die Freizeit zwischen Kaltgasröhren, Grenzen ziehende Architekturen in Siedlungen, Gärten, das Alltags- und Arbeitsleben, Stadtteilkulturen, Migrationsprozesse, Fassaden und die Geschichten hinter ihnen. Wenn man sich für die Begegnung von Kunst und Alltag vor Ort interessiert, ist man hier besser aufgehoben als im Folkwang Museum nebenan, das gerade die Werke von Keith Haring zeigt, dessen Geschichte aber weit entfernt ist.

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