Der Erweiterungsbau der Küppersmühle

Klaus-Peter Busse

Hotspot Duisburg

Das Museum Küppersmühle in Duisburg ist ein weiterer Hotspot für Kunst-Touristen im Ruhrgebiet. Nach der kürzlichen Fertigstellung seines Erweiterungsbaus durch die Architekten Herzog & de Meuron zeigt sich von der gegenüberliegenden Uferseite die beeindruckende Reihe aller historischen Backsteinbauten. Ganz bestimmt entstand auf diese Weise ein wichtiger Erinnerungsort der Industrie- und Handelskultur im Emscherland, der nun neu genutzt wird und sich in aktuelle Bebauungen des Viertels eingliedert. Im Zusammenklang aller Kunsthäuser in Duisburg ist hier auch ein wichtiger Kunstort entstanden.

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg Erweiterungsbau 2021 Ansicht Innenhafen © MKM Duisburg / Herzog & de Meuron © Foto: Simon Menges

Das Museum Küppersmühle zeigt die Kunstwerke aus der bekannten Sammlung der Familie Ströher. Hier fand deutsche und europäische Kunst der Nachkriegszeit ihren Ort, und der Gang durch das Haus ist ein Weg durch die Geschichte ihrer Malerei, Bildhauerei, Zeichnung und Fotografie. Die Besucher*innen gehen durch große weiße Räume, unterbrochen nur von den beeindruckend angelegten Brücken zwischen den Gebäudeteilen, von denen man in die historische Bausubstanz blickt, und von den wunderschön gestalteten Treppenhäusern.

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg Erweiterungsbau 2021 Blick in die Silos © MKM Duisburg / Herzog & de Meuron © Foto: Simon Menges
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg Erweiterungsbau 2021 Treppenhaus, Detail © MKM Duisburg / Herzog & de Meuron © Foto: Simon Menges

Es ist auffällig, dass diese Gebäudeteile besonders häufig fotografiert werden. Geht man an den Silos vorbei, gelangt man in eine kleine Galerie, in der die Fotografien von Bernd und Hilla Becher aufgehängt wurden.

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg Erweiterungsbau 2021 Detail Silos, Galerie © MKM Duisburg / Herzog & de Meuron © Foto: Simon Menges

Diese Gegenüberstellung von erlebbarer und abgebildeter Industriearchitektur ist gut arrangiert und erklärt sich durch ihre Präsenz: Die Fotografien werden in einen konkreten, sinnlich erfahrbaren Zusammenhang gestellt.

Bernd und Hilla Becher haben sich seit den 1960er-Jahren mit den Industriekomplexen des Ruhrgebiets beschäftigt. Damals baten sie den amerikanischen Künstler Robert Smithson, der sich um eine neue künstlerische Form der Beschäftigung mit der Umwelt bemühte, einen Blick auf das Emscherland zu werfen. Nicht weit entfernt auf dem Gelände der Gutehoffnungshütte in Oberhausen, also dort, wo heute das Centro steht, untersuchte Smithson den Boden, die Kohle und die Schlacke: Materialien, die die Geschichte des Ruhrgebiets maßgeblich bestimmten.

In der Gegend um Duisburg herum entstanden Kunstwerke, die für die Kunstgeschichte des Ruhrgebiets sehr wichtig sind, und sie widerlegen die Behauptung des Philosophen Wolfram Eilenberger, der in seinem aktuellen Buch über das Ruhrgebiet behauptet, das Emscherland habe kein Kunstwerk von Rang hervorgebracht. Am Silo des Museums Küppersmühle vor den Fotografien der Bechers verdichtet sich der Rang dieser Werke in ihrer Bedeutung für die Region. Es wäre schön, wenn man als Besucher*in des Museums darüber etwas erfahren könnte.
Geht man durch die übrigen Räume des White Cube, fehlen Kontextualisierungen der Kunst völlig.

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg Erweiterungsbau 2021 Installationsansicht Peter Brüning (mit Durchblick auf K.R.H. Sonderborg, r.) MKM Duisburg / Herzog & de Meuron © für die Arbeiten von Peter Brüning: VG Bild-Kunst, Bonn 2021 © Foto: Simon Menges

Gemälde und Skulpturen werden als autonome Werke ausgestellt, und man hat den Eindruck, durch eine Gemälde-Galerie zu wandern, die das Buch „Das offene Kunstwerk“ des Philosophen Umberto Eco illustriert. 1962 hatte er von der Möglichkeit der Kunst gesprochen, sich nicht mehr auf eindimensionale Deutungen festlegen zu müssen. Er hat den Betrachter*innen einen offenen Raum gewährt, mit Kunstwerken umzugehen. Diese Öffnung der Kunstwerke war vor einem halben Jahrhundert eine Befreiung; 50 Jahre später verlangt eine Ausstellung von Kunstwerken der Nachkriegszeit Erklärungen, Zuordnungen und kritische Haltungen. Warum hat man damals auf diese Weisen gemalt? Warum ließ man den Künstler*innen diese Freiräume? Wie sind in der Kunst die Nachkriegsjahre verarbeitet worden? Und warum hat eine Familie diese Kunst überhaupt gesammelt? Wie sahen die Räume in den 1950er-Jahren aus, in denen man die Kunstwerke präsentierte? Solche Fragen sind vor allem für Besucher*innen interessant, die mit dieser Epoche der bundesrepublikanischen Geschichte keine Erinnerungen verbinden. Es sollte eine Diskussion wert sein, in welcher Form heute diese Kunstwerke überhaupt ausstellbar sind, damit sie für Besucher*innen einen Sinn ergeben. Ihr autonomer Status im White Cube ist dafür nicht angemessen. 

Es wäre also auch für das Museum Küppersmühle wichtig, ein Konzept von Bildung und Kommunikation so zu entwerfen, dass sich Kunstwerke auch durch ihre Kontexte erklären. Im Ruhrgebiet gibt es dafür erste Ansätze im Museum Ostwall in Dortmund. Da die Kunstgeschichte des Ruhrgebiets seit den 1960er-Jahren noch nicht geschrieben ist und sie sich heute als ein beinahe unsichtbares Netz zwischen den vielen Institutionen der Region verbirgt, ja sogar falsch gedeutet und beurteilt wird, ist eine neue Bewertung dieser Kunst und der Orte, an denen sie ausgestellt wird, dringend erforderlich. Kunst und Ort: Das gehört zusammen. Der Ort bewertet die Kunst, und das gilt auch umgekehrt. Denn Kunst verlangt immer neu einen Ort, an dem sie verständlich wird.

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