Katharina Grosse geht es um die Überwindung von Grenzen, genauer: dem Besetzen des Grenzbereiches. Mit den Grenzen sind konkrete Objektgrenzen, aber auch die zu engen Denkbahnen im Kopf der Menschen gemeint. Ihre Installationen versteht Grosse als „Prototypen“ für dieses Beharren im Grenzbereich, den die Betrachter individuell im ästhetischen Spiel mit den ausgestellten Objekten konkretisieren muss.
Die große Installation in der Küppersmühle ist einerseits ein Bild, andererseits ein Vorhang, ein Bühnenhintergrund, eine Wand, aber auch das Protokoll einer spontanen Malaktion mit dem kalkulierten Einsatz von Schablonen.
Die Größe und Hängung dieser Installation verhindert, dass der Betrachter sie ganz mit einem Blick erfassen kann. Er muss sie gehend erschließen und wird damit Bestandteil des Werkes. Mit jedem Schritt verändert sich die Sicht . Eine abschließende Deutung wird hinausgeschoben, immer wieder revidiert, letztendlich verhindert. Jeder Betrachter sieht das Werk anders. Und kommt man nach dem Rundgang durch die Ausstellung zurück, sieht man die Installation wieder neu. Sie wirkt wie eine Bündelung und Synthese der anderen z. T. sehr großformatigen Werke. Diese Tucharbeit überwindet am deutlichsten die Grenzen des traditionellen Ölbildes, indem sie z.B. auch den Fußboden mit einbezieht.
Der Betrachter möchte Ordnungen schaffen, gewohnte Grenzen wiedererkennen. Er meint ikonografische Bezüge wahrzunehmen und freut sich über das Entdecken von geometrischen Figuren. Aber diesem auf Fassbares hinzielenden Bilddeuten wird in der Installation durch die Ausdruckskraft und Auftragsart der Farbe widersprochen. Nicht nur dass der sich in ihr widerspiegelnde Malprozess aller Regelhaftigkeit abholt ist, nein, der Kraft der Farbe selbst haftet etwas Unkontrollierbares, Nicht-Messbares an. Sie durchbricht, überwindet alle Objektgrenzen, die aber weiterhin sichtbar bleiben. Es kommt zu paradoxen Wahrnehmungserlebnissen, die in ihrer auflösenden Tendenz modellhaft für ein Denken sein könnten, das traditionelle Denkbahnen durchbricht und sich für neue Kombinationsmöglichkeiten und Übergänge öffnet.
Ein sehr frühes Beispiel für die Arbeit von Katharina Grosse ist die Installation „Bett“ von 2004: Unabhängig davon, ob es sich um Bett, Teppich, Wand oder Decke handelt, Grosse legt eine gesprühte farbige „Folie“ über eine Ecke ihres Schlafzimmers. Zwei Welten – wenn man so will – begegnen/überlagern sich: die gewohnte Welt der Alltagsgegenstände und die Farbwelt, die aus der abstrakten Malerei ausgewandert zu sein scheint. Wichtig ist, dass die Malerei nicht einfach an die Stelle von etwas Anderem tritt, sondern dass das Bezugs- und Ausgangsobjekt erkennbar bleibt und damit von dem Betrachter verlangt, zwei Daseinsbereichen zu integrieren, die normalerweise getrennt voneinander gesehen werden, was paradox ist.